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Erst impfen, dann feiern. Ein Lagebericht.

USA, Israel und zahlreiche andere Länder machen es vor. Volle Hallen, dröhnende Anlagen, ausgelassene Stimmung – ausschließlich für geimpfte Personen. In Deutschland ist man diesen Konzepten gegenüber offen, heißt es aus der Eventbranche, doch die Angst, viele Kunden und Gäste zu verärgern, ist groß.

Die „Foo Fighters“ gaben jüngst ein Konzert vor über 20.000 Menschen und Dave Grohl, Sänger und Gitarrist der Band, ließ es sich nicht nehmen, die grölende Menschenmenge minutenlang ohne Musik zu genießen. Kopfschüttelnd und sichtlich bewegt spielte er unter dem frenetischen Jubel der Fans weiter. Was seit 2019 in Deutschland undenkbar ist, wird nun in anderen Ländern wieder Realität.

Musikzeitungen und Veranstalter berichteten hinterher vom „Tag, an dem die Musik zurückkehrte“, doch sie kehrte ausschließlich für einen ausgewählten Personenkreis zurück. Einlass bekam nur wer von Corona genesen oder vollständig geimpft war.

Deutsche Konzertveranstalter sehen hierzulande einen ähnlichen Weg. Dieter Semmelmann der seit 1991 Konzerte veranstaltet und schon Hans Zimmer oder Helene Fischer Touren organisierte sieht ähnliche Einlasskontrollen auch in deutschen Arenen kommen um die Branche zu retten. Semmelmann ist CEO und Gründer von Semmel Concerts und hält mehr als die Hälfte der Anteile an CTS Eventim. „Wir wären für einen beschränkten Zeitraum auch bereit, ausschließlich Geimpften und Genesenen Zugang zu unseren Veranstaltungen zu gewähren“, sagt Semmelmann. Sonderrechte für Geimpfte seien eine „Chance einer Branche, die seit eineinhalb Jahren am Boden liegt, einen sinnvollen Restart zu ermöglichen.“

Auch andere prominente Beispiele hatten ähnliche Forderungen bereits bekräftigt. Im Konzertbereich gebe es spätestens ab Ende September, wenn jeder ein Impfangebot bekommen habe, keine Alternative zu Sonderrechten für Geimpfte und Genesene mehr, sagte Jens Michow in der „Welt“. Er ist geschäftsführender Präsident des Bundesverbands der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft.

„Wenn Veranstaltungen unter diesen Bedingungen ohne Abstandsregeln durchgeführt werden dürfen, erlaubt es unser Hausrecht, nur diesen Personen Zugang zu gewähren“, sagte der Verbandschef. Wer sich weigere, geimpft zu werden, könne nicht erwarten, dass der Rest der Bevölkerung darunter leide“ so Michow weiter.

Zahlreiche Besucher, volle Hallen und durchdachte Konzepte hat die Branche bitternötig. 2019 noch stand sie auf Platz sechs der umsatzstärksten Geschäftszweige des Landes. 130 Milliarden Euro setzten Veranstalter von Konzerten und Großveranstaltungen damals insgesamt um. 2020 minimierten sich die Konzertumsätze auf nur noch 717 Millionen Euro. Einen Großteil davon erwirtschaftete man im Frühjahr vor Ausbruch der Pandemie, dann stand das Geschäft monatelang still. Da halfen auch keine Autokino- und Strandkorb-Experimente.

Es gibt jedoch auch zurückhaltenden Stimmen. Beispielsweise aus der Livemusik-Szene. Der Hamburger Veranstaltungskonzern FKP Scorpio, der unter anderem die Musikfestivals „Deichbrand“, „Hurricane“ und „Southside“ verantwortlich ist, möchte momentan noch keine Stellung beziehen und äußert sich daher bis dato nicht zum geplanten Vorgehen.

„Eine harte 3G-Regel wäre uns lieber gewesen, als Nichtgeimpfte mit Test auszuschließen“, sagt er. „3G“ – das steht für „geimpft, getestet, genesen“, ergänzt Dieter Semmelmann. Hier zeichnet sich ab, dass das Thema bisher keinen einstimmigen Konsens erreicht hat.

Auch Marek Lieberberg, Veranstalter des Musikfestivals „Rock am Ring“, hält das 3G-Modell für den richtigen Weg. „Eine Zutrittsberechtigung für Geimpfte, Genesene und Negativgetestete garantiert die Sicherheit aller Teilnehmer und kann durch entsprechende Kontrollen problemlos gewährleistet werden“, sagt er. „Der derzeitige Flickenteppich von permanent wechselnden und widersprüchlichen behördlichen Regelungen würde damit endlich beseitigt“.

Es bleibt abzuwarten, wie der Sommer und der nahende Winter verläuft und inwieweit die Politik bereit ist, Vorstöße zu wagen. Das Berliner Pilotprojekt zur Cluböffnung macht dabei Hoffnung. Das Projekt solle unter wissenschaftlicher Begleitung der Charité aufzeigen, ob und wie Tanzveranstaltungen in Clubs «auch unter pandemischen Bedingungen in Zukunft sicher möglich sein können», teilte die Senatskulturverwaltung am 30. Juli 2021 mit.

Dabei soll zum Beispiel nicht unterschieden werden, ob Menschen schon geimpft sind. Alle müssten die vorgeschlagene Teststrategie (PCR) durchlaufen, hieß es in der Mitteilung. Berlin hatte bereits im März ein Pilotprojekt für die Kultur aufgelegt. Damals spielten etwa die Philharmoniker trotz Lockdowns vor rund 1000 Menschen.

Weitere Informationen zum Berliner Pilotprojekt